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Channel: Kommentare zu: “Unterhaltung ist blind”
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Von: Gisela Trahms

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Ist es nicht merkwürdig (und geradezu rührend), dass wir als Leser tatsächlich solchen Erwartungen folgen wie: Genug Exposition, ich kenne jetzt das Spielfeld, nun sollten die Figuren gezogen werden, d.h. in Beziehung zueinander treten, meinetwegen in fragmentarische, begrenzte, aber IRGENDEINE. D.h. wir halten im Roman nur schwer aus, was doch unser Leben kennzeichnet, nämlich dass es ein einziges Gefrickel aus abgerissenen Fäden ist und kein Gewebe. Der Roman soll eine besondere, nicht-diskursive Erkenntnis ermöglichen, die durch lesenden Nachvollzug eines wie auch immer gearteten komplexen Gewebes entsteht, das verlangen wir einfach. Mir scheint, IJ ist ein Versuch, auszutesten, auf welche Weise und in welchem Umfang man diese basics unbeachtet lassen (oder umdefinieren?) kann: Alles nur Fetzen, ihr Lieben, und natürlich könnt ihr das zusammensetzen und Verbindungen und Motive suchen und finden wie Ostereier im Gras und ich wünsche viel Vergnügen, aber wenn nicht, dann eben nicht und es ist sowieso nicht das, worauf es ankommt.

Worauf es ankommt ist eher, und ich finde, das haben Sie genau beschrieben, die unerklärliche Intensität einzelner Momente, in denen der Fluch des “Ich bin hier drin” (und komme raus nur um den Preis meines Lebens) für Sekunden außer Kraft gesetzt zu sein scheint. Mich erinnert das an Proust, wo in scheinbar bedeutungslosen Alltagserfahrungen plötzlich eine Epiphanie aufleuchtet. Sehr oft hat diese Erfahrung (nicht der Anlass, sondern die Epiphanie) mit Schönheit zu tun. Mit der Fassungslosigkeit darüber. Mit der Wahrheit von Warnehmungen. Und die Frage ist, ob diese Augenblicke nicht bloß wieder die uns vor die Nase gehaltenen Karotten sind, hinter denen wir herjagen und die in IJ so ausführlich geschildert und diskutiert werden. Träfe das zu, stürzten wir um so tiefer. Wären sie aber von anderer Qualität, dann… Ja, dann. Ginge ein Fenster auf oder gar eine Tür? Im Roman, zumindest?


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